Wir können Gott nicht einfach abschreiben“Im Interview mit Alexander Görlach geht Martin Walser mit dem Atheismus hart ins Gericht.
Walser: Die meiner Meinung nach wichtigste Begabung, um glauben zu können, ist der Sinn für das Schöne. Wir haben die Fähigkeit, etwas schön zu finden. Nehmen Sie Bach oder Schubert. Ihre zu Gott gewandte Musik hat unsere irdische Existenz ausgefüllt und geformt. Wenn man sich hingegen als bekennender Atheist beruhigt zurücklehnen kann, dann geht dieser ganze Reichtum der Geschichte verloren. Dann hat das alles keinen Sinn und man weiß nicht, warum sich die Fugen so unendlich bewegen und zu keinem Ende finden können. Als Zeuge der Geschichte bin ich von diesen Gedanken noch erreicht worden und das bewegt mich bis heute. Ich kann die Frage nach Gott nicht abstreifen. Ich bin bewegt von den Schönheitswerken, die die Religion in die Welt gebracht hat. Dort fühle ich mich angeschlossen und kann nicht zur Tagesordnung des Atheismus übergehen, weil wir eben diese reiche Geschichte zur Transzendenz hin haben.